Fleisch heißt auf portugiesisch "carne" - und aus diesem Wortstamm leitet sich auch der Begriff Carnaval ("Abschied vom Fleisch") ab. Historisch, während des europäischen Karnevals des 16. und 17.Jh., stand das ganze ordinäre "Fressen" im Vordergrund. Fleisch zu essen war zu dieser Zeit noch etwas Besonderes und nur zu bestimmten festlichen Anlässen geboten, zudem wollte man die letzten Tage vor Beginn der Fastenzeit am Aschermittwoch noch voll auskosten. Geht man noch weiter in die Geschichte zurück bis zu den alten Griechen und Römern, trifft man auf die orgiastischen Feste des Baccanal, Saturnal und Lupercal, die ebenso zu den Vorläufern des späteren Karnevals gehören wie die Narrenfeste und Maskentänze des Mittelalters.
Nach Brasilien eingeführt wurde der Karneval von den Portugiesen wahrscheinlich schon im 17.Jh., mit Sicherheit jedoch im Jahre 1723, unter der alten Bezeichnung "Entrudo". Er war ursprünglich ein ausgelassenes und mitunter ausartendes Treiben, bei dem man sich mit Wasser, Puder, Kalk und allem, was gerade zur Verfügung stand, gegenseitig bespritzte und beschmutzte. Später wurden weniger aggressive Spielformen eingeführt wie das Bewerfen mit Konfetti und Papierschlangen. Ab 1840 setzte allmählich eine Verbürgerlichungstendenz ein, mit Festveranstaltungen in noblen Ballhäusern und der Entstehung von finanzkräftigen Karnevalsgesellschaften. 1928 entstand in Rio de Janeiro die erste Sambaschule Mangueira. Bis heute ist der Karneval von dieser historischen Ambivalenz zwischen spontanem Volksfest und organisierter Bürgerveranstaltung geprägt, bis heute stehen diese Formen nebeneinander, vermischen sich bisweilen und grenzen sich anschließend wieder aus. Seit Mitte des Jahrhunderts jedoch präsentiert sich der Karneval in Brasilien, besonders in Bahia und im Nordosten, des Landes, verstärkt afrobrasilianisch und führte zu einer Wiederbelebung des populären Straßenkarnevals, lediglich in Rio de Janeiro blieben der traditionelle Salon- und Clubkarneval sowie die organisierten Umzüge der Sambaschulen weiter dominierend.
Ein formeller Stadtball wurde erstmals 1932 im Teatro Municipal eröffnet. Bis dahin gab es in Rio zur Karnevalszeit an die 100 Faschingsbälle. Rios Arbeiterklasse mochte - und mag - den Karneval vor allem wegen der Musik, des Tanzens und Trinkens. Anerkennung verdient ein portugiesischer Einwanderer, José Nogueira Paredes, für die Gründung des ersten Karnevalsclubs. Eine seiner Ideen war, jedermann im Club dazu zu bringen, auf der Trommel denselben Rhythmus zu spielen, um so einen einheitlichen Klang zu erzeugen. Diese Technik wurde grundlegend für die "Bateria" oder auch "Rhythmusgruppe" de modernen Sambaschulen. Die Clubs der Arbeiter- und Mittelklasse heißen Blocos, Ranchos oder Cordoes" und spielten aus Europa stammende Balladen, Choros genannt, die zum Teil immer noch beliebt sind. Im 19.Jh. hatten diese Clubs oft eine wohltätige oder, wie beim Clube dos Socialistas, eine rein politische Zielsetzung und waren auch außerhalb der Karnevalszeit aktiv. Viele dieser vorwiegend weißen Clubs gibt es heute noch, wie der Clube dos Democráticos, der jedes Jahr den Straßenkarneval mit einem Festzug eröffnet.
Einer der ersten Beiträge der Clubs zum modernen Karneval war der Umzug mit prachtvollen Kostümen, Wagen und Musikbegleitung. Themen der Parade waren Geschichten aus der Bibel, aus Mythologie und Literatur. Der erste Umzug wurde 1855 von einer Gruppe organisiert, die den hochtrabenden Namen "O Congresso das Sumidades Carnevalescas" trug. Sie zog an einem Elitepublikum vorbei, zu dem auch der Kaiser gehörte. Bei ihrer Darbietung sah man reich geschmückte Formationen mit Szenenbildern aus der französischen Geschichte und aus Don Quijote. Von 1900 an war die jährliche Innenstadtparade solcher Gruppen, der Grandes Sociedades, der Höhepunkt des Karnevals. Im späten 19.Jh. nahmen erstmals Schwarze am Karneval teil. Dies lag zum Teil an der Dürre, die 1877 den Nordosten überfiel und viele befreite Sklaven nach Rio trieb. Um 1890 brachten diese Menschen ihre Musik- und Tanztradition in den Karneval ein.
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© - Harald Schobesberger